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VIII. Empfehlungen
Die nachstehenden Empfehlungen orientieren sich an der Notwendigkeit, der
Einrichtung, die die schriftliche Hinterlassenschaft des Ministeriums für Staats-
sicherheit der ehemaligen DDR, eines der übelsten Unterdrückungsinstrumente
des SED-Staates, zu bewahren hat, dasjenige Maß an Glaubwürdigkeit zurück-
zugeben, dessen sie im Blick auf ihre Aufgabenstellung (§§1,2 StUG) dringend
bedarf. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine ausschließlich von Sachge-
sichtspunkten getragene, insbesondere ideologiefreie Aufgabenerfüllung, ist
durch die Beschäftigung einer nicht geringen Anzahl ehemaliger hauptamtlicher
und inoffizieller Mitarbeiter des MfS und zahlreicher ehedem der SED-Diktatur
verbundener Personen in der Behörde, die zum Teil in leitender Funktion tätig
waren und sind, erheblich beeinträchtigt worden. Dieser Glaubwürdigkeitsver-
lust resultierte nicht zuletzt aus dem Versäumnis der Behördenleitung (von Be-
ginn an bis heute), diesem Umstand die gebotene Aufmerksamkeit zuzuwenden
und die Öffentlichkeit darüber in aller Offenheit ins Bild zu setzen. Politik und
Behördenleitung stehen vor der Notwendigkeit, durch eine offensive, die Tatsa-
chen nicht verschleiernde Öffentlichkeitsarbeit die BStU aus dem Zwielicht her-
auszuführen, in welches sie geraten ist.
1a. Die BStU verdankt ihre Existenz den besonderen Umständen des Jahres
1990, die in Kapitel I geschildert sind. Sie war zunächst als eine auf rela-
tiv kurze Zeit befristete Behörde gedacht. Auch die Leitung ging davon
i aus, wie sich aus der Begründung ergibt, die anfänglich für den Ab-
schluss zeitlich begrenzter Arbeitsverhältnisse gegeben wurde. Mittler-
weile, so will es scheinen, hat sich vermöge einer - für die staatliche Be-
hördenorganisation nicht untypischen - Beharrungskraft die Vorstellung
verbreitet, die BStU müsse auf Dauer, mindestens auf Jahrzehnte hin-
aus, bestehen bleiben. Diese Vorstellung ist im Blick auf die Aufgaben
der Behörde, jedenfalls auf mittlere Sicht, nicht tragfähig. Die Erfassung,
Erschließung, Verwaltung und Verwendung der Unterlagen des MfS (§ 1
Abs. 1 StUG) ist, auf Dauer gesehen, eine Angelegenheit der allgemei-
nen staatlichen Archiwerwaltung.179 Sie ist - bei entsprechender Ausstat-
tung - mindestens ebenso gut in der Lage, die in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4
StUG genannten Aufgaben wahrzunehmen, wie eine Sonderbehörde.
Wie ggf. verfahren werden könnte, zeigt § 2 a des Bundesarchivgeset-
zes, der vorsieht, im Bundesarchiv — unter dem Namen „Stiftung Archiv
179
Im Einigungsvertrag, Anlage I Kapitel II Sachgebiet B Abschnitt II 2 a, wird ausdrücklich
klargestellt, dass es sich bei den Unterlagen von „Stellen der Deutschen Demokratischen
Republik" um Archivalien im Sinne des Bundesarchivgesetzes handelt - unbeschadet der
für die Stasi-Unterlagen vorgesehenen Sonderbehandlung.
J
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der Parteien und Massenorganisationen der DDR" - eine unselbstständi-
ge Stiftung des öffentlichen Rechts zu errichten, der es vor allem obliegt,
Unterlagen der SED und ihr verbundener Organisationen (§ 2 Abs. 9
Bundesarchivgesetz) zu übernehmen, auf Dauer zu sichern, nutzbar zu
machen und zu ergänzen. Es ist - siebzehn Jahre nach der Wiederher-
stellung der Einheit Deutschlands - nur schwer nachvollziehbar, warum
ausgerechnet die urkundliche Hinterlassenschaft des MfS noch immer
eine Sonderbehandlung erfährt. Die Frage einer in der näheren Zukunft
vorzunehmenden Überleitung der archivalischen Aufgaben der BStU auf
die allgemeine staatliche Archivverwaltung - wobei sowohl die wissen-
schaftliche und journalistische Nutzung der Stasi-Unterlagen als auch die
Akteneinsicht für MfS-Opfer weiterhin wie bisher möglich und die politi-
sche Bildungsarbeit vor allem seitens der Außenstellen gewährleistet
sein sollten - bedarf jedenfalls einer alsbaldigen intensiven Prüfung auf
politischer und fachlicher Ebene, die sich auch auf den Zeitpunkt der Ü-
berleitung erstreckt. Auf keinen Fall dürfen sich durch organisatorische
oder institutionelle Veränderungen die Bedingungen für Aufklärung und
Forschung über das MfS verschlechtern. Sollte es möglich sein, eine sol-
che Lösung in naher Zukunft zu realisieren, sind manche der nachfolgen-
den Empfehlungen hinfällig.
Sind indes institutionelle Änderungen, wie wir sie grundsätzlich für gebo-
1b.
ten erachten, nicht erreichbar, empfehlen wir, die BStU nach dem Vorbild
des* Bundesarchivs, gleichsam als „Bundessonderarchiv", zu reorganisie-
ren. Das Bundesarchiv ist wie die BStU eine selbstständige obere Bun-
desbehörde (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG) im Geschäftsbereich des BKM.
Als moderne Fachbehörde nimmt das Bundesarchiv Aufgaben für die
wissenschaftliche Forschung, alle interessierten Bürgerinnen und Bürger
und die Bundesverwaltung wahr - entsprechende Aufgaben erfüllen die
Archive der Länder. Im Unterschied zur BStU ist das Bundesarchiv aller-
dings nur insofern „selbständig", als es eine organisatorische Einheit au-
ßerhalb der Ministerialverwaltung darstellt; es ist, wie die oberen Bun-
desbehörden im Regelfall, weisungsunterworfen, unterliegt also der
Fachaufsicht des zuständigen Mitglieds der Bundesregierung. Dass die
Arbeit des Bundesarchivs seit seiner Gründung 1952 darunter in irgend-
einer Weise gelitten hat, ist nicht ersichtlich. Auch im Falle der BStU ist
das nicht zu erwarten. Die vor allem der emotionsgeladenen Situation
des Jahres 1990 geschuldete - verfassungsrechtlich prekäre - Sonder-
stellung, die die BStU unter den Bundesoberbehörden immer noch ein-
nimmt, ist nicht länger zu rechtfertigen.
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Das jahrelange Verschweigen des wirklichen Umfangs der Beschäfti-
gung ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS gegenüber Bundes-
tag und Öffentlichkeit und die bis heute anhaltende Neigung, die damit
verbundenen Probleme zu verharmlosen oder zu verdrängen - bis hin zu
den bestenfalls als oberflächlich zu qualifizierenden Auskünften, welche
die Behördenleitung der Bundesregierung für die Beantwortung parla-
mentarischer Anfragen zur Verfügung zu stellen pflegt, sowie Fragen
(einschließlich solcher der von der Dienstaufsichtsbehörde beauftragten
Gutachter) zu diesem Sachverhalt tunlichst aus dem Weg zu gehen -
machen deutlich, dass diese Sonderstellung zur Entwicklung eines „Be-
hördenbewusstseins" geführt hat, das jegliche Ingerenz von außen, ein-
schließlich parlamentarischer oder öffentlicher Kritik, nur als Störfaktor
wahrzunehmen in der Lage ist. Das ist gewiss auch durch das Ansehen
bedingt, welches die beiden bisherigen Behördenleiter und der erste Di-
rektor der Behörde zu Recht genießen, sowie durch die Leistungen, die
die Behörde dank des Einsatzes ihrer Mitarbeiter in Erfüllung ihrer Auf-
gaben über die Jahre erbracht hat. Das darf aber nicht darüber hinweg-
täuschen, dass das berechtigte Selbstbewusstsein der BStU in gravie-
renden Zusammenhängen Formen eines Autismus - bis hin zu mehr als
nur nachlässigem Umgang mit der Wahrheit - angenommen hat, die ei-
ner Behörde nicht angemessen sind. Dem kann und muss auch im
Rahmen der geltenden Rechtslage, also mit dienstaufsichtlichen Maß-
nahmen, besser aber noch durch eine „Normalisierung" des rechtlichen
Status der Behörde, begegnet werden.
Es wäre wünschenswert, wenn die BStU eine gründliche Aufarbeitung
2.
der Geschichte ihrer Behörde in Auftrag geben würde. Dabei sollte der
Untersuchungszeitraum mit dem 9. November 1989 - dem Fall der Mau-
er - beginnen und unabhängige Wissenschaftler in die Arbeit eingebun-
den werden.
Bei externen und internen Überprüfungen sollte der Antragsteller stets
darauf hingewies.en werden, was Gegenstand der Überprüfung war und
dass er bei Feststellung einer früheren Betätigung für das MfS auf
Wunsch eine sich konkret auf diese Betätigung beziehende und ins De-
tail gehende Einzelfallprüfung beantragen kann.
Für die bei der BStU Beschäftigten, die früher als hauptamtliche oder
Inoffizielle Mitarbeiter beim MfS tätig waren, sollte unverzüglich eine die
frühere Betätigung im MfS so konkret wie möglich aufhellende Einzelfall-
prüfung durchgeführt werden.
110
5. Es ist in hohem Grade wünschenswert, dass sich Aufsichtsbehörde
(BKM) und Behördenleitung einen Überblick darüber verschaffen, wie
viele Beschäftigte der Behörde als dem ehemaligen DDR-Regime ver-
bunden gewesen („systemnah") anzusehen sind und welche von ihnen
seit Gründung der Behörde in höhere Funktionen (Sachgebietsleiter und
höher) gelangt sind. Ehemals „Systemnahe" (beispielsweise in höheren
SED-Rängen oder staatlichen Funktionen tätig gewesene Personen)
sollten in leitenden Funktionen der Behörde (ab Referatsleiter) grund-
sätzlich nicht beschäftigt werden.
Wir empfehlen der BStU, behördenintern eine Forschungsarbeit zu den
institutionellen Grundlagen des zur Optimierung der repressiven Funktio-
nen des SED-Staates dienenden so genannten „Politisch-operativen Zu-
sammenwirkens" (POZW) zwischen Staats- und Parteiorganen in Auftrag
zu geben. Hierbei würde über Einzelfälle hinaus, wo dieses politisch-
operative Zusammenwirken in verschiedenen Studien schon dokumen-
tiert ist, sichtbar werden, welche Institutionen auf besondere Weise mit
dem MfS verzahnt waren.
6. Das durch mancherlei Polarisierungen - nicht zuletzt zwischen ehemali-
gen Anhängern und Nutznießern einerseits und Gegnern der SED-
Diktatur andererseits - gekennzeichnete Arbeitsklima in der Behörde der
BStU sollte die verstärkte Aufmerksamkeit der Behördenleitung und des
die Dienstaufsicht führenden BKM finden. Da es Anzeichen dafür gibt,
dass die Behördenleitung nicht das volle Vertrauen aller Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter genießt, weil sie - aus welchen Gründen auch immer -
sich an diesen Fragen bisher kaum interessiert gezeigt hat, empfehlen
wir zusätzlich die Einrichtung einer außerhalb der Behörde anzusiedeln-
den unabhängigen Mediation, die sich behördeninterner Konfliktlagen
annehmen und sowohl an die Behördenleitung als auch an die Aufsichts-
instanz mit Anregungen herantreten kann. Zu erwägen ist, diese Einrich-
tung mit der Befugnis auszustatten, über ihr bekannt gewordene Miss-
stände den zuständigen Ausschuss des Bundestages und den Beirat der
Behörde zu unterrichten.
7. Ehemalige MfS-Angehörige, die unmittelbaren Kontakt mit Antragstel-
lern, insbesondere Opfern, haben, sollten in andere Bereiche versetzt,
allerdings auch nicht mit personalpolitischen Aufgäben betraut werden.
Sie sollten Antragstellern/Opfern weder Auskünfte zu geben noch zur
Recherche in deren Unterlagen oder gar deren Bewertung befugt sein.
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8. Für den Haussicherungsdienst (HSD) und seinen hohen Anteil an ehe-
maligen MfS-Mitarbeitern sehen wir zwei unterschiedliche Optionen:
• Die Bewachung der Magazine und Archive wird grundsätzlich von
Fremdfirmen durchgeführt, die darauf zu verpflichten sind, für diese
Aufgabe keine ehemaligen MfS-Mitarbeiter einzusetzen. Diejenigen
Mitarbeiter des HSD, die keine MfS-Vergangenheit haben, können im
nicht auszulagernden Pförtnerdienst weiterbeschäftigt werden.
• Der HSD bleibt bestehen, aber seine Leitungsstruktur wird verändert.
Es ist nicht akzeptabel, dass die Leitungsebene des HSD ausschließ-
lich aus ehemaligen MfS-Angehörigen besteht.
Diese Vorschläge basieren auf der Annahme, dass sich bei den durchzu-
führenden Einzelfallprüfungen (oben 5.) keine Belastungen für diesen
Personenkreis ergeben, etwa dahin, dass sie entgegen bisheriger Ver-
mutung doch operative Aufgaben wahrgenommen haben.
9. Das MfS-Archiv ist bis zum heutigen Tag mit dem Bundesarchiv nicht
kompatibel. Das hat zu Beginn sicherlich daran gelegen, dass das MfS-
Archiv nach anderen Gesichtspunkten und Kriterien aufgebaut war, als
sie bei anderen, insbesondere westlichen Archiven üblich sind. Es bleibt
indes unverständlich, warum in den vergangenen Jahren nicht auf eine
solche Kompatibilität hingearbeitet wurde. Dass anfänglich der Präsident
1
des Bundesarchivs die Position eines Stellvertreters des SBStU ein-
nahm, blieb jedenfalls in dem hier angesprochenen Punkt ohne jede Wir-
kung. Die Annahme liegt nahe, dass hier eine der Ursachen dafür zu su-
chen ist, dass die besondere Sachkenntnis ehemaliger MfS-Mitarbeiter
so lange als unentbehrlich dargestellt werden konnte. Sollte eine Anglie-
derung der BStU an das Bundesarchiv in naher Zukunft nicht gelingen,
müsste mindestens eine Evaluation der BStU unter Archivgesichtspunk-
ten erfolgen, um beide Archive so schnell und so weit wie möglich kom-
patibel zu machen.
VERTRAULICH
- personenbezogene Daten, unbefugte Weitergabe
nach § 203 Abs. 2 StGB strafbar -
112
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Wolle/Mitter 1993: Wolle, Stefan/Mitter, Armin, Triumph und Albtraum, in: Horch
und Guck, Heft 9/1993
Worst 1991: Worst, Anne, Das Ende eines Geheimdienstes oder: Wie lebendig
ist die Stasi? Berlin 1991
VERTRAULICH
- personenbezogene Daten, unbefugte Weitergabe
nach § 203 Abs.
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Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website svenskmedia.blogspot.com Links tauschen
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